Interviews mit Gerd Silberbauer
Interview mit Gerd Silberbauer (2013)
Herr Silberbauer, SOKO München ist mit über 35 Jahren die älteste Krimiserie weltweit, herzlichen Glückwunsch. Ihre Figur des Kriminalhauptkommissars Arthur Bauer haben Sie 2008 selbst erdacht…
Ich wurde gebeten, an der Entwicklung der Rolle mitzuarbeiten, das war natürlich eine tolle Sache. Vier Wochen später haben wir uns wieder getroffen, und meine Vorstellungen deckten sich mit denen der UFA, die die Serie produziert. Die Figur sollte völlig anders sein als mein Vorgänger, eher ein Einzelgänger als ein Beamtentyp.
Welche Seiten Ihres Charakters mussten Sie im Laufe der Zeit wieder aufgeben?
Mittlerweile ist Arthur Bauer etwas mehr Teamplayer. Am Anfang hatte ich in der Rolle mehr Kanten, jetzt bin ich etwas umgänglicher geworden. Aber das Privatleben des Kriminalhauptkommissars steht nicht im Vordergrund von SOKO München.
Sondern nur die Fälle.
Das ist richtig. Das Muster der Fälle ist oft ähnlich: Am Anfang die Leiche, dann kommt der schlecht gelaunte Bauer, also ich, (lacht) und direkt eine kleine Frozzelei mit dem Gerichtsmediziner. Die Szenen mag ich übrigens am liebsten. Das hat immer so ein spielerisches Ambiente.
Auf welche Szenen freuen Sie sich weniger?
Ich mag meine Rolle und das Format sehr. Natürlich gibt es auch oft reine Informationsszenen, die im Büro spielen. Die sind nicht so spannend zu spielen, aber wichtig für die Zuschauer, weil sie zusammenfassen, wer wer ist und wie er in die Geschichte passt. Für diese Szenen muss ich mir viele Namen merken, weil wir oft mehrere Folgen parallel drehen.
Als Hauptdarsteller müssen Sie da aber als leuchtendes Beispiel vorangehen….
Klar bin ich beim Dreh für die Kollegen manchmal sowas wie ein Ratgeber und versuche alle zu motivieren, auch die Gastdarsteller. Als Hauptdarsteller fühle ich mich schon für die Serie verantwortlich.
Dazu gehört auch, dass Sie sich auf die Rolle bei der echten Polizei vorbereitet haben. Wie?
Ich bin eine Woche mit dem Kriminaldauerdienst in München herumgefahren. Als Spät-68er und Ex-Juso-Vorsitzender hat sich mein Bild von der Polizei dabei total geändert. Ich war im Dezember dort und die Vorweihnachtszeit ist für die Polizisten das Schlimmste. Unglaublich viel Aggression, unglaublich viele Selbstmorde.
Wieviel davon haben Sie selbst erlebt?
Körperverletzung, Schlägereien, Diebstahl, Einbruch, auch zwei Tote. Das war…. na ja…. Unangenehm. Der Erste war erst kurz tot, Lungenembolie, er sah aus wie eine Puppe. Aber natürlich hatte ich wie jeder Berührungsängste mit dem Tod.
Weil man mit Leichen auch selten in Berührung kommt…
Genau. Deswegen war gerade der zweite Tote eine sehr harte Nummer. Der war ein drogenabhängiger Alkoholiker, der schon seit zwei Wochen tot in seiner Wohnung lag. Das war grenzwertig, da habe ich geschluckt und musste an die frische Luft. Morgens bin ich nach Hause gegangen und habe wie in schlechten Filmen eine halbe Stunde geduscht und meine Kleidung sofort gewaschen.
Kann man diesen Alltag des Polizisten überhaupt in eine Serie transportieren?
Schwierig. Der Polizeialltag ist auch unglaublich viel Computer-und Papierarbeit. In der Serie lösen wir die Fälle in wenigen Tagen. Eine normale SOKO braucht dazu mehrere Wochen oder Monate. Um die Serie authentischer zu machen, werden unsere Drehbüher noch von einem ehemaligen Kripo-Beamten gegengelesen.
Unterhaltung statt Realismus?
Naja, wir machen eine Serie und keine Dokumentation. Ich mag zum Beispiel die Verhörszenen sehr und habe mich dafür mit Münchner Kommissaren über ihre Taktiken unterhalten. Doch während bei uns jeder Zweite im Verhör zusammenbricht, ist das in der Realität vielleicht einer von zwanzig. Echte Mörder brechen nicht so leicht zusammen. Manche gucken dir ins Gesicht und sagen: „ Musst Du doch erst einmal beweisen, dass ich das war.“
Hilft es Ihnen beim Dreh, dass Sie Jura studiert haben?
Ach, das war in einem anderen Leben (lacht). Ich weiss ein paar Rechtssprüche, aber das war es auch schon. In anderen Krimiserien rege ich mich manchmal auf, wenn Polizisten Dinge machen, die eigentlich illegal sind. Auch Arthur Bauer (also ich) sagt zum Beispiel manchmal „Gefahr im Verzug“, wenn wir ohne Erlaubnis eines Richteres Wohnungen durchsuchen. Das würde die Polizei nie machen. Echte Polizisten dürfen in der Situation nicht einmal lügen.
Und Serien-Polizisten ermitteln meist nur in Mordfällen. Muss das so einseitig sein?
Leichen sind gut. Damit kriegst Du den Zuschauer sofort (lacht). Was ich am spannendsten finde, sind Entführungen. Lösegeldforderungen. Diese Anspannung, diese Zeitnot, das Opfer ist noch nicht tot, wie gehen wir da ran? Andererseits darf es nicht zu banal werden. Wir sollten jetzt nicht plötzlich Handtaschendiebstähle aufklären.
Würde mehr Realismus den Zuschauer langweilen?
Wahrscheinlich. Die normale Polizeiarbeit ist zum grössten Teil Routine und Detail, das im Fernsehen nicht abzubilden ist. Die Serie ist nicht immer realistisch, aber spannend und unterhaltsam. Hoffentlich kann ich noch ein paar Jahre ermitteln. Wer hätte bei meinem Lebenslauf gedacht, dass ich gerne Polizist bin?
Interview mit Gerd Silberbauer (2012)
Werde nur Du selbst
Von Kritikern hochgelobt, gingen Sie immer wieder in der Hauptrolle der Bühnenfassung von Stefan Zweigs „Schachnovelle“ auf Theater-Tournee. Was hat Sie ursprünglich an der Rolle gereizt?
Als ich das Angebot bekam, den Doktor Bertram zu spielen, habe ich mir die Novelle (die ich nicht kannte) besorgt, sie gelesen und direkt zugesagt. Die Figur hat mich sofort angesprochen und ich fühlte eine enge Bindung zu ihr. Da entscheiden der Bauch und das Herz.
Schauspielerisch war das eine sehr schwere Aufgabe. Vor allem immer das Umschalten- zwischen Vergangenheit und Gegenwart, hoher Emotionalität und „normalem“ Gespräch- das war nicht einfach! Ich habe aber von Anfang an dem Stück, der Figur und der Regie vertraut und dann geht man raus und es macht mit einem etwas….. Aber es war verdammt hart! Wofür mich die Reaktionen der Zuschauer jedoch wunderbar entschädigt haben.
Für die Rolle des Leiters der „SOKO München“ haben Sie zur Vorbereitung Münchner Polizisten bei deren Einsätzen begleitet. Wie haben Sie sich aber auf die Rolle in der „Schachnovelle“ vorbereitet? Wie kann man so eine Rolle, eines des Wahnsinns nahen Menschen, der eine Persönlichkeitsspaltung erlebt, so glaubhaft darstellen, wenn vorab kein wirkliches Erleben als Vorgabe/Vorbild möglich ist?
Schauspielen heisst, sich in emotionale Zustände hineinzuversetzen (kontrolliert). Dazu schöpft man aus seinem eigenen Leben und man „trainiert“ Zustände. In diesem Fall habe ich mich sehr oft in eine Isolation und Stille begeben. Daraus resultiert eine eigene, seltsame Wahrnehmung. Der „Wahnsinn“ ergibt sich dann zwangsläufig von selbst. Ausserdem habe ich mich intensiv mit Berichten über Isolationshaft beschäftigt.
In dem Theaterstück tragen Sie sozusagen die Hauptlast, was auch ein physischer Kraftakt ist. Wie erholen Sie sich zwischendurch auf Tournee?
Am Anfang der Tournee begibt man sich in einen Tunnel. Der Tag besteht aus einer geregelten Abfolge von Vorgängen (Bus, Hotel, Bett, Vorstellung, Entspannung). Eine Erholung ist nicht möglich. Aber ich versuche, störende und negative Energien auszuschliessen. Es ist aber in jeder Hinsicht ein Kraftakt, das stimmt. Jede Vorstellung ist wie eine Bergbesteigung und auf dem Gipfel warten die Brotzeit und das Bier, respektive der Applaus der Zuschauer. Mit Leidenschaft schafft man viel!
Sie haben in einem anderen Interview zum Thema Theater-Tournee gesagt:“ Man muss sich jeden Abend völlig umstellen und anders einstellen- auch auf die Zuschauer“. Aber wie ist das denn letztlich möglich, das Spiel zu verändern, anzupassen?
Man verändert nicht das Spiel, man passt sich nur den Umständen an. Gestik, Stimme, Gänge werden gemäss dem Raum verändert/abgestimmt. Das ist sehr spannend.
Darf man sich während des Theater-Spielens überhaupt Gedanken über die Zuschauer machen?
Gedanken an die Zuschauer weniger. Man weiss aber aus Erfahrung, wo es schwieriger oder einfacher ist. Welche Räume (z.B. grosse Stadthallen) schwer zu bespielen sind oder leichter (kleine Theater mit guter Akustik).
Im Bad Godesberger Theater haben Sie anfangs als Kulissenschieber und Beleuchter gearbeitet und konnten sich zu dem Zeitpunkt nicht vorstellen, dass Sie jemals selbst vorne auf der Bühne stehen würden. Wie ist es dann doch dazu gekommen?
Für jeden „normalen“ Menschen ist es schwierig oder unangenehm, in der Öffentlichkeit oder auf der Bühne zu stehen. Für mich als sehr introvertiertem Menschen war es anfänglich die Hölle. Aber mit der Zeit ging es besser und besser, und irgendwann kommt der Zeitpunkt, wo der Spass grösser ist als die Angst. Und dann geht es los!
Was hat Sie anfänglich trotzdem auf die Bühne bzw. vor Publikum gezogen? Gab es irgendein ausschlaggebendes Erlebnis oder war das ein „schleichender“ Prozess?
Eindeutig ein „schleichender“ Prozess – das knüpft an die Frage von oben an…. Es kommt der Zeitpunkt, wo der Spass grösser ist als die Angst. – „ES“ macht was mit einem…..
In ihren Anfängen als Schauspieler hatten Sie ein festes Engagement in einem Theater und mussten daher spielen, was auf den Plan gesetzt wurde. Ihre Aussage dazu war: „ Die Hälfte hasst man“. Kann man da überhaupt ein guter Schauspieler sein?
Hassen ist zu viel gesagt. Mit den jeweiligen Rollen kann man mehr oder weniger was anfangen. Aber generell versucht man, das Beste aus der jeweiligen Rolle zu machen. Dass das bei einer Hauptrolle anders aussieht als bei einem 3. Zwerg von links, versteht sich von selbst.
„SOKO München“
Ab wann waren Sie in der Entwicklung der Figur „Arthur Bauer – des SOKO-Chefs- beteiligt? Wie darf man sich das vorstellen – Werden nur Überlegungen angestellt, welche Charakteristika die Figur haben soll, oder auch warum (also die Geschichte dahinter)?
Ein halbes Jahr vor Drehbeginn habe ich mich mit den Verantwortlichen getroffen, dann hatte ich vier Wochen Zeit, mir Gedanken über die Figur zu machen und die deckten sich dann grösstenteils mit den Ideen der UFA und des ZDF. Der Charakter der Figur, als auch seine Geschichte wurden dann gemeinsam entwickelt.
„In dem Typ steckt schon eine Menge von Gerd Silberbauer“, haben Sie einmal verraten. Ist es einfacher eine Figur nahe der eigenen Persönlichkeit darzustellen oder ist dann die Gefahr grösser, nachlässiger zu werden? Macht es mehr Spass?
Generell ist es wahrscheinlich einfacher, wenn die Figur sehr nah an einem dran ist. Das beinhaltet aber auch die Gefahr der Nachlässigkeit (Routine). Spass macht es allemal, zumal es ja auch durchaus Verschiedenheiten zwischen Bauer und Silberbauer gibt.
… und man auf diese Weise auch „gefahrlos“ auch mal neue Facetten (an sich) ausprobieren kann, weil man es ja doch nicht selbst ist, sondern nur eine fiktive Figur?
Die fiktive Figur wird zu einer lebendigen und in dem Moment realen Figur, wenn sie authentisch ist.
Was war die für Sie bisher herausfordenste Szene beim SOKO-Dreh?
Körperlich: 10-maliges Wiederholen einer Szene, in der man 5 Etagen hoch und runter rennt. Emotional: Eine Szene, in der ein Verbrecher einen guten Freund erschossen hat, in der ich ausgerastet bin.
Und textlich: alle Büroszenen, in denen sehr viel Text mit unglaublich vielen Namen vorkommt.
Der Vorname Ihrer Film-Figur Arthur Bauer spielt in Ihrem Privatleben auch eine zentrale Rolle. Ist das Zufall?
Nein, das ist kein Zufall. Dieser Name ist bei mir absolut positiv besetzt, ausserdem finde ich ihn so schön altmodisch und gerade.
Also auch eine Art „kleine Hommage“ an zwei wichtige Menschen (Sohn und Bruder) in Ihrem Leben?
Genau!
PERSÖNLICHES
Ihrer Erfahrung nach haben Sie beim Golf-Spielen Demut und Konzentration gelernt. Warum Demut?
Demut beim Golf kann man nur verstehen, wenn man versucht, Golf zu spielen. Bei vielen anderen, leichteren Sportarten erreicht man irgendwann einen Standard, auf dem man aufbauen kann. Beim Golf ist das ein sehr langwieriger und quälender Prozess, und es gibt wahnsinnig viele Einbrüche. Man glaubt, jetzt kann ich es einigermassen und schon haut man den nächsten Ball wieder in die Grütze. Es dauert lange, bis der „Spass“ anfängt und der Frust weniger wird. Hauptsache ist Ruhe und Konzentration (Tunnel). Positiv denken, Negatives schnell abhaken und kämpfen (entspannt). Und das ist leichter gesagt als getan.
Sei meinten einmal, etwas Gutes in Ihrem Leben sei, dass Sie sich nicht viel verändert haben und so geblieben sind wie vor 25 Jahren. Gibt es etwas, das Sie vielleicht doch gerne selbst an sich ändern würden, das Ihnen aber bisher nicht wirklich geglückt ist?
Generell denke ich, trotz des Erfolges auf dem Teppich geblieben zu sein, versuche normal zu sein und jeden Menschen gleich zu behandeln. Änderung bei mir? Ja, ich hätte gerne ettwas mehr von Arthur Bauer, wäre gerne geradliniger, konsequenter, streitlustiger, nicht so konfliktscheu.
Bei unserer ersten Begegnung, als ich mich im Dienste der guten Sache beim Golf-Abschlag nicht sehr erfolgreich anstellte und mir das recht unangenehm war, sagten Sie zu mir: „ es gibt nichts Peinliches im Leben“. –Welches Gedankengut, welche Lebenseinstellung steckt hinter dieser Aussage? Sich selbst nicht so sehr wichtig zu nehmen?
Der Mensch, insbesondere der Mann, fragt ungern. Er könnte sich ja blossstellen. Aber ohne Fragen zu stellen geht es nicht weiter. Was glauben Sie, wie bescheuert und unbeholfen man sich auf der ersten Probe anstellt? Ja, und da heisst es dann: Augen zu und durch. Je mutiger,umso besser. Lebenseinstellung: Erstens: sich selbst nicht so wichtig nehmen und Zweitens: nicht alles so eng sehen. Dann geht alles viel besser.
Was ist die wichtigste Botschaft, die Sie Ihrem Sohn mit ins Leben geben möchten?
Du musst nicht der Beste, Grösste etc werden, sondern nur Du selbst. Behandle den anderen immer so, wie Du selbst behandelt werden möchtest. Sieh das Leben als eine Herausforderung, der man sich stellen muss und nicht als Schicksal, gegen das man nichts machen kann.
© Bianka Kaspar
2012
Ursprünglich erschienen im Web-Magazin Interviews & Reisen
Interview für Main Post März 2010
Sie spielen die Schachnovelle seit 2007.
Wie bringen Sie heute nach dieser ganzen Zeit noch dieselbe Intensität in die Rolle hinein?
Ich vergleiche Theaterspielen gerne mit Fußballspielen. Es gibt Mannschaften, die mit 50 Prozent versuchen, ein Spiel zu gewinnen. Wenn sie dann merken, es geht nicht gut, können sie das Spiel kaum noch umdrehen. Ich gehe jeden Abend hochkonzentriert raus. Nach 20 Minuten wird das eine sehr harte Arbeit für mich, da ich dann die Hauptlast des Abends trage. Aber erstens macht es tierisch Spaß und zweitens ist der Erfolg so riesig, dass man sich freut, rauszugehen.
Ich bin kein guter Schachspieler, aber mittlerweile habe ich mich ein bisschen damit beschäftigt – weil ich ja wissen muss, wie und wann gezogen wird. Ich habe ein paar Schachbücher studiert. Ich kann mich aber nicht so weit konzentrieren, dass ich 10 oder 20 Züge vordenke. Das ist eine Wissenschaft für sich, der Wahnsinn.
Es ist unglaublich spannend, sehr aktuell und vielseitig, ein richtiger Krimi. Wir hatten vor der ersten Tournee nur gute viereinhalb Wochen Proben, da haben wir sehr viel improvisiert, es ist sehr viel Eigenes von uns dabei. Es geht um einen Menschen, der durch Isolationshaft wahnsinnig wird. Die Umsetzung, war schauspielerisch sehr schwierig, denn es spielt alles mit Rückblenden. Ich muss immer wieder zwischen den verschiedenen Phasen vor- und zurückspringen.
Das kann man so sagen. Von der Komplexität und vor allem vom Energieeinsatz ist es die schwerste Rolle. Am Anfang muss ich einen relativ starken Charakter zeigen; später, wie er nach und nach dem Irrsinn verfällt. Das darzustellen, ohne Faxen zu machen wie ein durchgeknallter kleiner Kinski, ist anspruchsvoll und immer wieder neu. Manchmal spielst du in einem tollen Haus, dann wieder in Stadthallen und Schulaulen. Du musst dich jeden Abend völlig umstellen, auf jeden Raum und auf die Leute.
Das spürt man immer ganz direkt. Zu glauben, ein Theaterabend sei etwas Festes, ist völliger Unsinn. Jeder Abend ist etwas Fließendes, Lebendiges. Wenn die Leute Pech haben und wir acht Stunden Fahrt hinter uns haben, wird der Abend garantiert nicht so gut, als wenn wir nur eine Stunde Fahrt hinter uns haben. An Feiertagen sind die Leute viel besser drauf als an Montagen. Was bei der Schachnovelle passiert, habe ich sowieso noch nie erlebt. Man sieht weinende Gesichter, die Leute sind wahnsinnig berührt. Das ist das Schönste, was einem passieren kann.
Am Anfang war es wirklich nur ein Durchkommen. Da habe ich mich mit 150 Prozent reingesteigert, hatte viel zuviel Angst vor den Textmassen, die ich zu bewegen hatte. Ich war oft zu schnell, zu laut. Im Laufe der Jahre ist die Sicherheit immer größer geworden, und ich habe die Gewissheit, dass dieser Abend meistens sehr gut ankommt. Da geht man mit einem völlig anderen Selbstbewusstsein raus. Ich bin viel freier, viel lockerer. Im ersten Jahr hat das Stück mich geritten. Mittlerweile reite ich das Stück.
Das musst du, wenn du dich als Schauspieler mit etwas beschäftigst. Beim Schach musste ich wissen, welche Varianten es gibt. Für die SOKO hatte ich Schussunterricht. Man muss wissen, wie es ist eine Tod bringende Waffe in der Hand zu haben. Ich hatte Glück, das die SOKO München einen guten Draht zur Polizei hat, war bei Einbrüchen und Leichenfunden dabei. Das war eine richtig harte Kiste. Diese Woche hat meinen Blick auf die Polizei völlig verändert.
Ich bin ein Spät-68er, der mit der Obrigkeit und überhaupt der Staatsgewalt so seine Probleme hatte. Aber vor diesen Menschen, die nachts für wenig Geld ihren Kopf hinhalten, damit wir am nächsten Tag sicher durch die Gegend gehen können, ziehe ich meinen Hut.
Sehr. Wir haben bei der SOKO einen ehemaligen Polizisten, der jedes Drehbuch liest. Natürlich machen wir keine Doku, das ist auch klar. Es gilt immer ein Satz: Wirkung geht vor Logik. Die Leute wollen nicht sehen wie wir Akten lesen. Räuber und Gendarme spielen ist spannender.
Natürlich spiele ich gerne, das ist doch etwas Wunderbares. Wir wollen doch alle nicht erwachsen werden. Es macht richtig Spaß, Leute zu verhören, zu verhaften, zu verfolgen und auf der guten Seite zu sein.
Das wäre zu einfach. Es sind zwei verschiedene Berufe. Ich komme vom Theater und mein Herz hängt schon ein bisschen mehr daran, aber ich bin mittlerweile auch ein leidenschaftlicher Fernsehschauspieler geworden. Tourneen sind aber toll, um zu kontrollieren: Kannst du`s noch? Der Mensch wird im Laufe der Zeit eher etwas bequemer, beim Drehen sagt man sich manchmal: Ach heute ist ja ein lockerer Tag. Das tolle am Theaterspielen ist, dass du gezwungen wirst, jeden Abend 100 Prozent zu geben.