Interviews mit Gerd Silberbauer

Werde nur Du selbst

Von Kritikern hochgelobt, gingen Sie immer wieder in der Hauptrolle der Bühnenfassung von Stefan Zweigs „Schachnovelle“ auf Theater-Tournee. Was hat Sie ursprünglich an der Rolle gereizt?

Als ich das Angebot bekam, den Doktor Bertram zu spielen, habe ich mir die Novelle (die ich nicht kannte) besorgt, sie gelesen und direkt zugesagt. Die Figur hat mich sofort angesprochen und ich fühlte eine enge Bindung zu ihr. Da entscheiden der Bauch und das Herz.

Schauspielerisch war das eine sehr schwere Aufgabe. Vor allem immer das Umschalten- zwischen Vergangenheit und Gegenwart, hoher Emotionalität und „normalem“ Gespräch- das war nicht einfach! Ich habe aber von Anfang an dem Stück, der Figur und der Regie vertraut und dann geht man raus und es macht mit einem etwas….. Aber es war verdammt hart! Wofür mich die Reaktionen der Zuschauer jedoch wunderbar entschädigt haben.

Für die Rolle des Leiters der „SOKO München“ haben Sie zur Vorbereitung Münchner Polizisten bei deren Einsätzen begleitet. Wie haben Sie sich aber auf die Rolle in der „Schachnovelle“ vorbereitet? Wie kann man so eine Rolle, eines des Wahnsinns nahen Menschen, der eine Persönlichkeitsspaltung erlebt, so glaubhaft darstellen, wenn vorab kein wirkliches Erleben als Vorgabe/Vorbild möglich ist?

Schauspielen heisst, sich in emotionale Zustände hineinzuversetzen (kontrolliert). Dazu schöpft man aus seinem eigenen Leben und man „trainiert“ Zustände. In diesem Fall habe ich mich sehr oft in eine Isolation und Stille begeben. Daraus resultiert eine eigene, seltsame Wahrnehmung. Der „Wahnsinn“ ergibt sich dann zwangsläufig von selbst. Ausserdem habe ich mich intensiv mit Berichten über Isolationshaft beschäftigt.

In dem Theaterstück tragen Sie sozusagen die Hauptlast, was auch ein physischer Kraftakt ist. Wie erholen Sie sich zwischendurch auf Tournee?

Am Anfang der Tournee begibt man sich in einen Tunnel. Der Tag besteht aus einer geregelten Abfolge von Vorgängen (Bus, Hotel, Bett, Vorstellung, Entspannung). Eine Erholung ist nicht möglich. Aber ich versuche, störende und negative Energien auszuschliessen. Es ist aber in jeder Hinsicht ein Kraftakt, das stimmt. Jede Vorstellung ist wie eine Bergbesteigung und auf dem Gipfel warten die Brotzeit und das Bier, respektive der Applaus der Zuschauer. Mit Leidenschaft schafft man viel!

Sie haben in einem anderen Interview zum Thema Theater-Tournee gesagt:“ Man muss sich jeden Abend völlig umstellen und anders einstellen- auch auf die Zuschauer“. Aber wie ist das denn letztlich möglich, das Spiel zu verändern, anzupassen?

Man verändert nicht das Spiel, man passt sich nur den Umständen an. Gestik, Stimme, Gänge werden gemäss dem Raum verändert/abgestimmt. Das ist sehr spannend.

Darf man sich während des Theater-Spielens überhaupt Gedanken über die Zuschauer machen?

Gedanken an die Zuschauer weniger. Man weiss aber aus Erfahrung, wo es schwieriger oder einfacher ist. Welche Räume (z.B. grosse Stadthallen) schwer zu bespielen sind oder leichter (kleine Theater mit guter Akustik).

Im Bad Godesberger Theater haben Sie anfangs als Kulissenschieber und Beleuchter gearbeitet und konnten sich zu dem Zeitpunkt nicht vorstellen, dass Sie jemals selbst vorne auf der Bühne stehen würden. Wie ist es dann doch dazu gekommen?

Für jeden „normalen“ Menschen ist es schwierig oder unangenehm, in der Öffentlichkeit oder auf der Bühne zu stehen. Für mich als sehr introvertiertem Menschen war es anfänglich die Hölle. Aber mit der Zeit ging es besser und besser, und irgendwann kommt der Zeitpunkt, wo der Spass grösser ist als die Angst. Und dann geht es los!

Was hat Sie anfänglich trotzdem auf die Bühne bzw. vor Publikum gezogen? Gab es irgendein ausschlaggebendes Erlebnis oder war das ein „schleichender“ Prozess?

Eindeutig ein „schleichender“ Prozess – das knüpft an die Frage von oben an…. Es kommt der Zeitpunkt, wo der Spass grösser ist als die Angst. – „ES“ macht was mit einem…..

In ihren Anfängen als Schauspieler hatten Sie ein festes Engagement in einem Theater und mussten daher spielen, was auf den Plan gesetzt wurde. Ihre Aussage dazu war: „ Die Hälfte hasst man“. Kann man da überhaupt ein guter Schauspieler sein?

Hassen ist zu viel gesagt. Mit den jeweiligen Rollen kann man mehr oder weniger was anfangen. Aber generell versucht man, das Beste aus der jeweiligen Rolle zu machen. Dass das bei einer Hauptrolle anders aussieht als bei einem 3. Zwerg von links, versteht sich von selbst.

„SOKO München“

Ab wann waren Sie in der Entwicklung der Figur „Arthur Bauer – des SOKO-Chefs- beteiligt? Wie darf man sich das vorstellen – Werden nur Überlegungen angestellt, welche Charakteristika die Figur haben soll, oder auch warum (also die Geschichte dahinter)?

Ein halbes Jahr vor Drehbeginn habe ich mich mit den Verantwortlichen getroffen, dann hatte ich vier Wochen Zeit, mir Gedanken über die Figur zu machen und die deckten sich dann grösstenteils mit den Ideen der UFA und des ZDF. Der Charakter der Figur, als auch seine Geschichte wurden dann gemeinsam entwickelt.

In dem Typ steckt schon eine Menge von Gerd Silberbauer“, haben Sie einmal verraten. Ist es einfacher eine Figur nahe der eigenen Persönlichkeit darzustellen oder ist dann die Gefahr grösser, nachlässiger zu werden? Macht es mehr Spass?

Generell ist es wahrscheinlich einfacher, wenn die Figur sehr nah an einem dran ist. Das beinhaltet aber auch die Gefahr der Nachlässigkeit (Routine). Spass macht es allemal, zumal es ja auch durchaus Verschiedenheiten zwischen Bauer und Silberbauer gibt.

… und man auf diese Weise auch „gefahrlos“ auch mal neue Facetten (an sich) ausprobieren kann, weil man es ja doch nicht selbst ist, sondern nur eine fiktive Figur?

Die fiktive Figur wird zu einer lebendigen und in dem Moment realen Figur, wenn sie authentisch ist.

Was war die für Sie bisher herausfordenste Szene beim SOKO-Dreh?

Körperlich: 10-maliges Wiederholen einer Szene, in der man 5 Etagen hoch und runter rennt. Emotional: Eine Szene, in der ein Verbrecher einen guten Freund erschossen hat, in der ich ausgerastet bin.

Und textlich: alle Büroszenen, in denen sehr viel Text mit unglaublich vielen Namen vorkommt.

Der Vorname Ihrer Film-Figur Arthur Bauer spielt in Ihrem Privatleben auch eine zentrale Rolle. Ist das Zufall?

Nein, das ist kein Zufall. Dieser Name ist bei mir absolut positiv besetzt, ausserdem finde ich ihn so schön altmodisch und gerade.

Also auch eine Art „kleine Hommage“ an zwei wichtige Menschen (Sohn und Bruder) in Ihrem Leben?

Genau!

PERSÖNLICHES

Ihrer Erfahrung nach haben Sie beim Golf-Spielen Demut und Konzentration gelernt. Warum Demut?

Demut beim Golf kann man nur verstehen, wenn man versucht, Golf zu spielen. Bei vielen anderen, leichteren Sportarten erreicht man irgendwann einen Standard, auf dem man aufbauen kann. Beim Golf ist das ein sehr langwieriger und quälender Prozess, und es gibt wahnsinnig viele Einbrüche. Man glaubt, jetzt kann ich es einigermassen und schon haut man den nächsten Ball wieder in die Grütze. Es dauert lange, bis der „Spass“ anfängt und der Frust weniger wird. Hauptsache ist Ruhe und Konzentration (Tunnel). Positiv denken, Negatives schnell abhaken und kämpfen (entspannt). Und das ist leichter gesagt als getan.

Sei meinten einmal, etwas Gutes in Ihrem Leben sei, dass Sie sich nicht viel verändert haben und so geblieben sind wie vor 25 Jahren. Gibt es etwas, das Sie vielleicht doch gerne selbst an sich ändern würden, das Ihnen aber bisher nicht wirklich geglückt ist?

Generell denke ich, trotz des Erfolges auf dem Teppich geblieben zu sein, versuche normal zu sein und jeden Menschen gleich zu behandeln. Änderung bei mir? Ja, ich hätte gerne ettwas mehr von Arthur Bauer, wäre gerne geradliniger, konsequenter, streitlustiger, nicht so konfliktscheu.

Bei unserer ersten Begegnung, als ich mich im Dienste der guten Sache beim Golf-Abschlag nicht sehr erfolgreich anstellte und mir das recht unangenehm war, sagten Sie zu mir: „ es gibt nichts Peinliches im Leben“. –Welches Gedankengut, welche Lebenseinstellung steckt hinter dieser Aussage? Sich selbst nicht so sehr wichtig zu nehmen?

Der Mensch, insbesondere der Mann, fragt ungern. Er könnte sich ja blossstellen. Aber ohne Fragen zu stellen geht es nicht weiter. Was glauben Sie, wie bescheuert und unbeholfen man sich auf der ersten Probe anstellt? Ja, und da heisst es dann: Augen zu und durch. Je mutiger,umso besser. Lebenseinstellung: Erstens: sich selbst nicht so wichtig nehmen und Zweitens: nicht alles so eng sehen. Dann geht alles viel besser.

Was ist die wichtigste Botschaft, die Sie Ihrem Sohn mit ins Leben geben möchten?

Du musst nicht der Beste, Grösste etc werden, sondern nur Du selbst. Behandle den anderen immer so, wie Du selbst behandelt werden möchtest. Sieh das Leben als eine Herausforderung, der man sich stellen muss und nicht als Schicksal, gegen das man nichts machen kann.  

© Bianka Kaspar
2012
Ursprünglich erschienen im Web-Magazin Interviews & Reisen